in die geheimnisumwitterten Sundarbans fahren. Ich bekomme einen behördlichen Policeguide übergeholfen. 400 Rupien darf ich auch noch dafür berappen. Aber bald stellt sich heraus, dass der Mann richtig gut ist. Er spricht englisch, kennt alle Vögel mit Namen, weiß wo die außergewöhnlichen  Flussmündungskrokodile liegen und wo der bedrohliche Bengaltiger gerne den Fluss durchquert. Früher als gedacht, macht er mich auf einen endemischen Harguza-Baum aufmerksam.  Aladin ist nun gänzlich überflüssig geworden. Ich habe es geahnt. Er wird später nur noch als Rückfahrer dienlich sein.

Saptashe Mandal, der 25jährige Policeguide,  übernimmt das Kommando der Maa-Tara und der Bootsführer wird zur gebräuchlichen Marionette. “The boat is yours“, hat sich für mich dann wohl auch erledigt. Saptashe erklärt mir, das die Sundarbans aus 102 Inseln bestehen und dass davon 45 bewohnt sind. Es gibt 64 Pflanzen-, 203 Vogel- und 22 Schlangenarten, Gangesdelphine, Haie, Dosenschildkröten und den legendären Royal-Bengal-Tiger.  Nach neusten Sundarbans-Tigerzählungen sind es 271 Tiere auf indischer Seite. 

Noch sind die mit Dhundul- und Kaorabäumen bewaldeten Inseln mit großmaschigen Tigerschutznetzen versehen, damit die fleischfressenden Großkatzen nicht auf die bewohnten Inseln herüberschwimmen können. Einen strahlenden Brown-Wing-King-Fisher lassen wir nicht aus den Augen. Nun sind wir in der ursprünglichen Wasserwildnis der Sundarbans und die störende Tigereinzäunung ist vorbei. Jetzt sind die Inseln von den buschigen Phoenix paludasa - Palmen (Tiger Hentel) besäumt. Hier verbirgt sich der gefährliche Tiger am liebsten, erklärt mir Saptashe. Die gelbbraunen Palmenblätter einiger Pflanzen hat die Evolution als Vorlage genutzt, um den Tiger gut zu tarnen. Seine schwarzen Streifen lassen ihn in den schattigen Wäldern unsichtbar werden. Sie lösen die Farbkonturen fast gänzlich auf. Die schlammigen Uferzonen aus Sumpf und Salzwasser werden von den White-Breasted-Water-Hen,  Uferschnepfen und anderen Watvögeln gut besucht. In den Baumwipfeln sitzen die weitsichtbaren und weißleuchtenden Silberreiher.

Auf einer Insel, die über eine flach auslaufende Uferzone verfügt, entdecken wir die erste fesselnde Tigerspur. Hier hat “Shirkan“ den Fluss durchquert. Schon bald werden wir noch weitere ausmachen. Das Aussteigen wird mir vom Policeguide strengstens untersagt. Ich winke Abhijit zu und rufe: „Bitte wende das Boot!“ und zeige dabei auf meine Kamera. Ich brauche wenigstens ein gutes Foto von den packenden Tigertrittsiegeln.

Saptashe bitte ich nicht die breiten Touristenflüsse abzufahren, sondern in das schmale Flusslabyrinth zwischen den flachbewaldeten Inseln einzudringen. Er ziert sich, dass sei nicht erlaubt. Aber er macht eine Ausnahme und wir passieren ganz exklusiv einen wildromantischen Mangrovenfluss. Diesen können die großen Touristendampfer nicht befahren, da sie zu viel Tiefgang haben. Seine Ufer sind mit zahlreichen Luftwurzeln, die an aufgerichtete Stalagmiten auf einem Höhlenboden erinnern, versehen. Eine zierliche Makakenhorde turnt im nahen Ufergeäst herum. In den verschiedensten Farben schillern hier die Kingfischer. Auf Steuerbord liegt auf über hundert Meter ein Krokodil oder ein Baumstamm. Langsam fährt die Maa-Tara voraus. Noch ist es nicht klar - Baumstamm oder Krokodil? Doch jetzt sehen wir es, es ist ein junges Krokodil. Aladine soll mir schnell die kleine Digitalkamera holen, damit ich filmen kann. Aber Aladine passt nicht auf und als ich mich zu ihm umdrehe, lässt sich das scheue Kroko ins Wasser rutschen und ich habe nicht mal ein behelfsmäßiges Sicherheitsfoto aus der ungefährdeten Distanz angefertigt.

Kurz bevor wir den Khana-Fluss erreichen, hören Saptashe und ich zeitgleich ein leises Rumoren auf Backbord. In einer einzigen Synchronbewegung werfen wir unsere verdutzten Köpfe nach links und entdecken ein starkes und wehrhaftes Indian-Wild-Boar (Sus scrofa - Wildschwein) im dichten Stelzwurzelgeflecht.

Um 14.00 Uhr und bei 31,3 °C erreichen wir Bidya Dharie, ein Ort an dem sieben Flüsse sternförmig in einem seeähnlichen Gewässer zusammenlaufen. Die Besatzung eines traditionellen Fischerbootes winkt uns wohlwollend zu. Die nachfolgenden Boote mit den buntbemalten und mit Blüten geschmückten Bugspitzen grüßen

 

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