Wenn ich fotografierte, tanzten
und sangen die fröhlichen Dorfbewohner in traditioneller Festbekleidung extra für mich. Noch lange nach Sonnenuntergang saßen die neugierigen Kinder und die Jugendlichen des gesamten Dorfes im flackerndem Licht des Feuers in meiner Hütte. Pausenlos quetschten sie mich über Deutschland und die fernen Länder, die ich bereist hatte, aus. Als ich alles über die Zivilisation der westlichen Welt berichtet hatte, zum Beispiel daß man für Wasser, Lebensmittel, Medikamente, Baumaterialien, Parkplätze und Wohnraum bezahlen mußte oder über das Abschließen von Versicherungen, gerichtlichen Rechtsstreiten, Rechnungen, Militärdienst und Polizeikontrollen, waren sie verwundert, einige sogar schockiert. „Warum holst du denn nicht das Holz und die Medizin aus dem Wald und nimmst das Wasser aus dem Berg?“ wurde ich gefragt. „Ja, das geht nicht einfach so“, antwortete ich etwas überfordert. Einer von ihnen sagte dann zu mir: „UND DA WILLST DU WIEDER HIN?“
Die staunenden Kinder hatten das alles den Eltern erzählt. Ein freundlicher Vater kam zu mir und bot mir an, bei ihnen zu bleiben. Er schenkte mir ein beachtliches Stück von seinem Regenwald, dabei zeigte er mit dem Finger in Richtung Wildnis und sagte: „Von da bis da gehört dir. Wenn du bleibst, helfen alle Männer beim Bau von Haus, genug Buschmaterial ist in the forrest. Wir haben auch PNG-Lady für dich.“ Da war ich so perplex, daß ich eine Antwort schuldig blieb.
Von meiner geplanten Trekkingroute rieten die Dorfbewohner ab. In der Regenzeit führen die reißenden Flüsse zu viel Wasser und sind unpassierbar. Die wenigen Naturbrücken (Baumstämme) sind dann durch das Hochwasser zerstört. Der Regenwald ist zu dieser Zeit fast undurchdringlich. Um meine Wünsche, die echte Wildnis zu erleben, fremde Kulturen kennen zu lernen und den seltenen Paradiesvogel in freier Wildbahn zu sehen, erfüllen zu können, disponierte ich um. Die Papuas halfen mir dabei. Es ging weiter mit scharfen Macheten, die für eine Urwaldbezwingung unentbehrlich sind. Zur Sicherheit nahmen meine Begleiter Pfeile und Bögen mit. Die Naturvölker, die ich besuchen wollte, leben versteckt in schwer zugänglichen Regionen. Nach den Aussagen meiner neu gewonnenen Freunde war es jedoch zu gefährlich, weiter ins Landesinnere vorzudringen. Es gibt dort keine Behörde und keine Polizei. Hier herrschen reine Naturgesetze, und fremde Besucher werden zunächst als Eindringlinge betrachtet und eventuell mit Pfeil und Bogen angegriffen.
Auf der Erkundungstour mit den Papuas sah ich erneut eine unglaubliche Mannigfaltigkeit der impressiven Pflanzenwelt, zornige Bienenstämme, wilde Hornissen, buntschillernde, exotische Vögel, farbenprächtige Schmetterlinge und große faszinierende Spinnen. Bizarre Blätter entpuppten sich als ultimativ getarnte Insekten. Vorsicht war bei Pflanzen mit Dornen oder brennenden Säften geboten. Sie wurden zu erbitterten Gegnern. Ebenso gab es viele Zecken und Blutegel. Spitze kleine und lange knochenharte Widerhakensamen waren sehr gefährlich, da sie beim Kontakt mit der Haut eitrige Wunden schafften. Diese müssen mehrmals täglich ausgedrückt werden. Der harte, verkrustete Blutschorf an den Beinen wird von den niedrig hängenden Zweigen immer wieder beim Laufen aufgerissen. Schwärme von sekkanten Fliegen belagern die suppenden und vor Wundsekret triefenden Eiteroasen. Viele nässende, honiggelbe Abszesse heilten erst nach professioneller medizinischer Versorgung in Deutschland wieder ab. Einige Samen gingen selbst durch derbe Kleidung hindurch. Meine neu gewonnenen Freunde kannten alle Kniffe im Gelände und wiesen mir den richtigen Weg. Sie führten mich zu imposanten Felsformationen, Katarakten und zu tosenden Wasserfällen, die sich auf dem Weg vom Berg zum Tal weißschäumend über 30 m mit gewaltiger, ungebrochener Kraft und ohrenbetäubendem Lärm in die Tiefe stürzten. In ihrem kühlen Sprühwasser erfrischten wir uns ausgiebig. Einige Fälle waren im Schatten mächtiger Bäumriesen gefangen und ihr klares Wasser schoß donnernd über meterbreite Felsenterrassen, eingesäumt von Moosen und Farnen, hinab, so daß man glaubte, man sei im ambrosischen Paradies. Diese eindrucksvollen Spektakel werden mir immer in Erinnerung bleiben. Yakima, einer meiner Begleiter, gab mir zu verstehen: „Hierher, wo der Wald zu Wasser wird und das Wasser zu Stein, haben wir noch nie einen Weißen geführt.“ Sie zeigten mir, wo ich wegen der schmierigen, aufgeweichten Bodenverhältnisse im dunklen Laubwald hinzutreten hatte, welche Früchte, Blätter und Rinde man essen konnte und welche giftig waren, wie man Flüssigkeit zum Trinken findet und welche Pflanzen ich nicht berühren sollte. Wir ernährten uns von den Angeboten im Regenwald. Proviant wurde kaum gebraucht. Ich aß meistens süße Beeren. Die deliziösesten Früchte wuchsen nur in den höchsten Baumwipfeln, sie wurden extra für mich geborgen. Meine Begleiter dagegen aßen Blätter, Rinde, engerlingsähnliche Käferlarven, Zikaden und andere Insekten, denen vorher die Flügel ausgerissen wurden. Außerdem zeigten sie mir in den urwüchsigen Waldungen kristallklare Quellen, deren Wasser man unbedenklich trinken konnte.


Und dann bekam ich doch noch den scheuen Paradiesvogel zu sehen. Lange schon hatten uns seine lauten schrillen Rufe von den hohen Baumwipfeln begleitet, ohne das wir ihn im dichtbelaubten Astwerk ausmachen konnten. Doch in den frühen Abendstunden zeigte er uns dann seine rasanten Flugkunststücke. Deutlich konnte ich seine langen, prächtigen, rostbraunen Schmuckfedern erkennen. Eine unvergeßliche und unauslöschliche Tropenreise erlebte ihren glanzvollen Höhepunkt.

Wer sie nachvollziehen möchte, erreicht Papua Neuguinea am günstigsten mit Singapur Airlines über Singapur und dann mit Air Niugini nach Port Moresby. Er kann auch von Jayapura im indonesischen Teil Neuguineas mit dem Boot (nur mittwochs) nach Vanimo kommen. Ebenfalls von Jayapura besteht seit kurzem eine Flugverbindung (nur sonntags) über Vanimo, Wewak nach Port Moresby.
(Stand 1996)

 

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