Bald erreichen wir ein weiteres
Yanomamidorf. Mit einem Temperament und Laune,
dass die Milch sauer wird, steht am Ufer der Häuptling in Jeans und
T-Shirt. Unmissverständlich und kalt wie eine Hundeschnauze macht er klar,
das keine Yanomamis fotografiert werden dürfen. Alles andere im Ort ja.
Wir landen trotzdem an. Eine große Ratte, die am Hinterleib festgebunden
ist, wird als Haustier gehalten. Ebenso viele Vogelarten. Beim
Tieferhineingehen sehen wir, dass einige Yanomamis ihr Erbe bewahren und
doch noch halbwegs traditionell gekleidet sind. In der Mitte der Siedlung
dient eine offene Überdachung als Klassenzimmer. Die Eleven in
landestypischer Schultracht. Wie eine Bache die Frischlinge bewacht, passt
der beobachtende Häuptling auf, dass ich keine Yanomamis aufnehme.
Unter glühender Sonne geht es weiter in Richtung Norden und das
Reisethermometer zeigt 37 Grad im Schatten. Diese Region ist gänzlich
unbewohnt und wir treffen auf keine Menschenseele. Eine Otterfamilie
möchte uns hier offenbar nicht haben. Mit lautstarken, piependen Gezische
will sie uns vertreiben, als wir uns ihrer Behausung nähern. Die
durchdringenden Pfiffe schallen weit über den Fluss. Wie Erdhörnchen bauen
sich 5 Otter, Männchen machend vor uns im Wasser auf. Heißblütig stellt
Chucuta beide Vorderpfoten auf die Reling. Mit langem Hals und spitz
aufgestellten
Ohren verfolgt sie das schilpende Otterspektakel. Sie will
heraus springen. Andru ermahnt sie. Zu spät ihr Jagdtrieb ist durch. Mit
einem kolossalem Satz hechtet sie stürmisch auf das nahe Ufer zu. Die
quirligen Wassermarder empfangen sie mit einem feurigem Geschimpfe.
Aufgedreht kläfft sie zurück. Akrobatisch tauchen die perfekt an das
Wasser angepassten Otter ab. Bald kreuzen sie mal hier und mal dort wieder
auf. Wieder vergesse ich zu filmen!
Für das Nachtlager steuern wir eine kleine Bucht an, in der wir wieder von
Flussdelphinen begrüßt werden. Am Abend erleben wir ein luminöses
Wetterleuchten. Eindrucksvoll, wie Polarlichter. Die wirkungsvolle
Stimmung trügt. Ein schweres Gewitter braut sich zusammen. Schleunigst
macht Monte das Boot klar, Leinen los und rüber an das andere Flussufer,
wo wir durch herüberhängende Äste der großen Urwaldbäume besser geschützt
sind. Schon bricht ein heftiger Wolkenbruch los. Zornige Blitze, wie
brennendes Magnesium, reißen das Firmament auf und lassen die dunkle Nacht
taghell erscheinen. Ungestüme Windböen drücken peinigend den Gewitterregen
wechselseitig von Back - und Steuerbord in die Flor. Nichts bleibt
trocken. Das dröhnende Donnerwetter grollt nun direkt über uns. Nach dem
Finale versucht Andru vergebens unsere Feuerstelle zu aktivieren. Die
wirkungslose Wärme der kleinen Flammen reicht nicht aus, um die feuchten
Klamotten zu trocknen. Mit klammen Sachen werden wir die Nacht verbringen
- unangenehm.
Am frühen Morgen spannt sich ein triumphaler Regenbogen über den
strahlenden Urwaldfluss. Ein flüchtiges Kaleidoskop der Farben. Nachdem
wir das Regenwasser aus dem Boot geschöpft haben setzen wir unsere
außergewöhnliche Exkursion zwischen monumentalen und runden Felsbrocken,
die mitten im Flussbett liegen, fort. Die Ufer sind von einem dichten
Waldsaum eingefasst. Wieder werden wir von einer Otterfamilie beschimpft.
Der sich ständig wiederholende Anblick des Wasserlaufes kommt mir nun
etwas eintönig vor. Im seichten Gewässer laufen wir auf Grund.
Beschwerliches schieben ist angesagt.
Mittags erreichen wir Capiguara. Hier lebt Anru allein mit seinem Amigo
Rafael Maita. Der Ort liegt auf einer Anhöhe, in einer fulminanten Bucht.
Alexander von Humboldt war von ihr so fasziniert, das er hier mit seiner
Piroge 6 Tage verweilte, erzählt Andru. Laut meiner Recherche in Humboldts
Tagebuch kann das nicht stimmen.
Vom 14. bis 21. Mai brachten wir die Nacht immer unter freiem Himmel
zu, ich kann aber die Orte, wo wir unsere Nachtlager aufschlugen, nicht
angeben. Dieser Landstrich ist so wild und so wenig von Menschen betreten,
dass die Indianer, ein paar Flüsse ausgenommen, keinen der Punkte, die ich
mit dem Kompass aufnahm, mit Namen zu nennen wussten.
.....Die Nacht des 20. Mai, die letzte unserer Fahrt auf dem Casiquiare,
brachten wir an der Stelle zu, wo der Orinoko sich gabelt.
Alexander v. Humboldt
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