Sibirien, mächtige, fischreiche Flüsse, tiefe Seen und weite Wälder.
Die Taiga ist reich an Pelztieren wie Zobel, Marder, Hermelin, Blaufuchs, Nerz und Braunbär. Hier findet man noch Biber und Bisamratte, Wolf und Elch.
Die Taiga stellt ein Drittel der gesamten Waldfläche der Erde. In der östlichen Taiga lebt die größte Raubkatze der Welt, der Amurtiger. Das sibirische Territorium ist zu drei Vierteln mit Wäldern, die von 53 000 Flüssen durchzogen werden, bedeckt. Kaum zu glauben, hier gibt es über eine Million Seen, darunter der tiefste und größte Süßwassersee der Welt. Es ist der einzigartige Baikalsee (1620 m tief), mit eigener Flora und Fauna. Das Wort Sibirien, aus dem Tatarischen kommend, bedeutet schlafende Erde.
Ein russischer Taigajäger definierte mir Sibirien so: "100 km keine Entfernung, 100 Jahre kein Alter, 100 Rubel kein Geld, 40 Grad Minus keine Kälte und Wodka unter 40 Prozent kein Wodka."


Von Moskau ging es mit Aeroflot nach Chabarowsk. Der Flug dauerte 8 Stunden. Aus den ovalen Fenstern der Iljuschin konnte man die gigantische Bergkette des Urals, Grenze zwischen Europa und Asien, erkennen. Ebenso sah man die endlos erscheinende Taiga, die sich von West nach Ost über 3600 km erstreckt. Die Lena, ein riesiger sibirischer Fluss, erschien aus der Luft wie eine silbern glänzende Schlange. In Chabarowsk, mit 530 000 Einwohnern die größte und wichtigste Stadt im russischen Fernost, wurde für zwei Tage eingecheckt. Die fernöstliche Stadt liegt am Ufer von "Vater Amur", einem der mächtigsten Ströme Sibiriens. Sie wurde 1858 gegründet und nach Erofej Chabarow, einem Entdeckungsreisenden, benannt. Wertvolle Heilpräparate aus Ginseng und anderen Pflanzen der Ussuri - Taiga werden hier produziert. Chabarowsk ist ein großer Verkehrsknotenpunkt, hier verläuft die längste Eisenbahntrasse der Welt - die Transsibirische Magistrale ( Moskau - Wladiwostok 7800 km ). Mehr als 500 Stationen liegen an ihrer Strecke, viele ganz einsam, fern von jeder Ortschaft. Wer mit einem durchgehenden Zug fährt, braucht dafür zehn Tage. Auf ihr ging es für 56 Stunden in Richtung Westen weiter nach Irkutsk. Jeder Eisenbahnwagon hatte seinen eigenen Steward und eigenen Samoware. Tee ist hier ein Nationalgetränk (russischer Tee). Das Abteil, mit zwei Doppelstockbetten eingerichtet, war ganz passabel. Nur die von außen stark verschmutzten Fenster ließen sich generell nicht öffnen. Der Zug fuhr entlang der chinesischen, später der mongolischen Grenze, durch karge Lärchen und dichte Birkenwälder. Vorbei an hohe Felsengebirge mit gewaltigen Gletschern, hinter denen das Reich der Mitte lag und durch unendlich magere schneebedeckte Steppenlandschaften. Die unzähligen Brücken. die wir passierten, waren alle militärisch bewacht, denn diese Bahnstrecke ist die einzige Bodenverbindung nach Europa und Moskau. Über mehrere Stunden waren keine menschlichen Behausungen zu sehen. Viele Strafgefangenenlager, die mit Stacheldraht umzäunt waren, konnte man aus dem Fenster des fahrenden Zuges sehen, und ich dachte zurück an die Zeit, als hier die unglücklichen Verbannten, die nach Sibirien verschleppt wurden, auf dem "Weg der Tränen" ziehen mussten. Direkt neben den Gleisen brannte Kilometer für Kilometer das Glut hauchende, ausgedörrte Gras. Dicke graue Rauchschwaden wälzten sich langsam über die verkohlte Grassteppe hinweg. Im Sommer wüten oft verheerende Waldbrände, die Tausende von Quadratkilometern Wildnis vernichten.
An einem Bahnhof verkaufte eine ältere Dame, die sich in einen doppelten Pelz eingehüllt hatte und ein graues Kopftuch trug, heiße Pellkartoffeln aus einem klapprigen Kinderwagen. Händler in heugepolsterten Stiefeln und tief heruntergezogenen Pelzmützen boten uns präparierte Tiere zum Kauf an, darunter ein prächtiger Auerhahn.
In der Nacht lud mich der Stewart zum Wodka trinken ein, den er unter einem Waggonsitz in der Mitropa versteckt hatte. Alkohol war strengstens verboten! Getrunken wurde der Wodka aus hundert Gramm Gläsern und dazu wurden Fleisch und große Brotkanten gereicht. Am nächsten Tag hatte ich einen Kater, den ich lebenslang nicht vergessen werde.
Von Irkutsk, einer über dreihundertjährigen, fast nur aus Holz erbauten Stadt mit 550 000 Einwohnern, ging es mit dem Bus auf einer endlos langen geraden Straße nach Listwjanka, einem Dorf am 31153 km² großen Baikalsee. Da wir im April reisten und es noch etwas Frost gab, hatte der Baikal eine Eisdecke von ca. achtzig cm, die beim Betreten in der Frühlingssonne knallte und krachte. Bis zu vierzig Meter tief konnte man durch das Eis nach unten schauen. Im Winter wird die Eisdecke bis zu drei Meter stark (bei uns 10-20cm). Meterdicke bizarre, übereinander getürmte Eisschollen, die einen an Packeis erinnerten, säumten sein Ufer. Von einzelnen aufgeschichteten Schollen hingen lange Eiszapfen herunter. Das Wasser war so sauber, dass man es unbedenklich trinken konnte. Eine alte russische Legende lautet:
Wer einmal Baikalwasser getrunken hat, wird noch einmal in seinem Leben wieder an diesen Ort zurückkehren. Unvernünftig hat man direkt an diesem kristallklaren See ein Zellulosewerk gebaut und das Wasser wird nun rücksichtslos verschmutzt. Über dreihundert Flüsse münden in den Baikalsee und nur einer entspringt ihm, die Angara.

 

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