Als wir anschließend wieder oben am Kraterrand standen, war es
unterdessen so stürmisch geworden, dass es zu gefährlich wurde dort stehen zu bleiben.
Vom Hafen Wellingtons aus ging es für 3 Stunden mit der Fähre nach Picton auf die Süd-Insel. Scharen von kreischenden Möwen begleiteten das Schiff. Die Überfahrt, flankiert von sattgrün bewaldeten Bergen und zwischen zahlreichen romantischen Inseln hindurch, gilt als die schönste Hafeneinfahrt der Welt.
In Nelson, einer alten Goldgräberstadt, fragte ich einen erfahrenden Jäger, wo man denn mit viel Glück einen Kiwi (Nationalvogel Neuseelands) in freier Wildbahn beobachten könne. "Schon jahrelang durchstreife ich die Wälder, aber einen Kiwi bekam ich noch nie zu Gesicht. Da hast du keine Chance".
Von einem Greenpeace Mitarbeiter erfuhr ich, dass sich auf Neuseeland die zur Zeit einzige an Land brütende Black Petrel - Kolonie (Sturmvogel) befindet. Für ein kleines Honorar würde er mich am Abend mit seinem Landrover dort hinfahren.
Die Abendstunden sind die beste Zeit, um den in Erdhöhlen brütenden Vogel zu beobachten. Das ganze Territorium war sehr weiträumig mit einem Raubzeugschutzzaun umgeben. Auf dem schmalen Pfad, der über eine Wiese führte, waren viele Knüppel - und Kastenfallen aufgestellt. Diese wurden bei der Gelegenheit gleich kontrolliert. Sie galten hauptsächlich dem Opossum, dem größtem Feind des Black Petrels. Zoologen brachten es auf die Insel, um das Rattenproblem auf biologische Weise zu lösen. Aber der Schuss ging nach hinten los, denn die Räuber stellten nicht den Ratten nach, sondern hielten sich an die viel leichtere Beute, nämlich die flugunfähigen Vögel wie z. B. den Kiwi oder die anderen Bodenbrüter. Die Ratten kamen von den Booten der Maoris ans Land und vermehrten sich in Windeseile. Später kamen noch die Ratten von den Schiffen aus Europa dazu. Die Nager plünderten die Gelege der seltenen Vögel, Frettchen, Marder und Opossums waren die Antwort der Gelehrten. Da die einheimischen Vögel keine natürlichen Feinde hatten, verlernten einige das Fliegen. Vor wem sollten sie auch davon flattern? Als nun das Raubzeug kam, wussten sie nicht einmal, dass sie weglaufen müssen, denn sie kannten ja kein Opossum oder den Marder. Wer jagt da noch einer Ratte nach? Als wir den Zaun erreichten, mussten wir durch eine Lebendfalle für verwilderte Hunde kriechen, denn das war gleichzeitig der Eingang. Die "Kiwis", wie sich die Neuseeländer selber betiteln, zäunen ihre Grundstücke nicht ein, da es hier keine Diebe gibt, und die Hunde können so ungestört im Wald wildern gehen. An einer einfachen Wetterschutzhütte ohne Tür und Fensterglas bezogen wir Beobachtungsposten. Es dauerte über eine Stunde bis der erste Sturmvogel vom nahe gelegenen Meer zurück kam. Bald tauchte eine zweite und dritte Silhouette am Abendhimmel auf. Wie der Albatros sind sie excelente Flieger. Aber dafür sind sie nicht in der Lage zu landen. Um auf den Boden zu gelangen, haben sie sich einen unglaublichen Trick einfallen lassen. Sie segeln einfach in die Krone eines Baumes. Die ausgestreckten Flügel werden durch die Äste und Zweige gebremst und der Vogel stürzt nun wie ein Stein auf die Erde. Bei dem so entstehenden, polternden Geräusch glaubt man, die Vögel würden sich dabei verletzen, aber nein. Wie kommen sie denn nun wieder in die Luft, wollte ich wissen. Der Greenpeacer führte mich später an einen hohen Abhang, auf dem sich ein alter schräg stehender Baumstubben befand. Dieser diente als Startpunkt. Alle Black Petrels müssen, um in die Lüfte zu kommen, hierher laufen. Diese Stelle wird fast rund um die Uhr von Greenpeace bewacht, da sich hier mit Vorliebe verwilderte Katzen auf die Lauer legen.
Am darauf folgenden Tag zeigte er mir noch eine interessante Höhle, deren Eingang in einem Flussbett lag. Betreten konnte man sie natürlich nur, wenn der Fluss kein Wasser führte, und das war gerade jetzt der Fall. Da es die ganze Nacht genieselt hatte, musste erst mehrere Kilometer flussaufwärts kontrolliert werden, wie weit das Regenwasser schon vorgedrungen war. Es gab einen Limitpunkt, wenn dieser erreicht war, konnte man die Höhle nicht mehr erkunden. Das Wasser stand in einer Senke kurz davor. Es war also nicht ungefährlich, jetzt in den kleinen Höhleneingang zu kriechen, falls Wasser in die Höhle eindringen sollte, wäre man rettungslos verloren. Zur Sicherheit nahmen wir ein Funkgerät mit und ein dritter Begleiter hütete draußen den Empfänger. Die Höhle war so eng, dass man auf dem harten steinigen Boden nur robben konnte. Es gab so viele Verzweigungen im Inneren, dass ich alleine nie wieder aus diesen unterirdischen Katakomben heraus gefunden hätte. Im Licht unserer Grubenlampen tauchten einzigartige Höhleninsekten auf, die es auf der ganzen Welt nur hier gab. Hunderte Glühwürmchen funkelten in der tiefschwarzen Umgebung, die noch nie ein Sonnenstrahl erreichte. An der Höhlendecke klebten unzählige Stöcke und Äste, die vom Druck des Wasser nach oben gepresst worden sind. Als wir feststellten, dass das Funkgerät keinen Empfang mehr hatte, zogen wir uns lieber zurück.
Um einmal einen Wal, den "König der Weltmeere", zu sehen und um seine gewaltige Rückenflosse beim Abtauchen fotografieren zu können, charterte ich bei Kaikoura ein Boot. Am nächsten Morgen um 5 Uhr sollte es losgehen, leider war es zu windig und das kleine Boot konnte nicht auslaufen. Deswegen buchte ich kurzfristig eine Cessna, um wenigstens aus der Luft auf meine Kosten zu kommen. Da das Flugzeug sehr schnell und hoch flog, konnte man den Wal nur schlecht erkennen, und ich war nicht zufrieden. Für den nächsten Morgen buchte ich also erneut das Boot und hatte wieder Pech - zu windig. Nun bestieg ich einen bereitstehenden Helikopter und hatte mehr Glück. Schon der aufregende Senkrechtstart war sein teures Geld wert. Über einen kolossalen Spermwal, den wir schon nach zehn Minuten vor der Küste ausmachen konnten, blieb der Heli in der Luft stehen und ich konnte in Ruhe fotografieren. Deutlich konnte ich seine riesige, waagerecht stehende Schwanzflosse erkennen. Eine meterhohe Dampffontäne schoss aus seinen Nasenlöchern, die sich in einer gemeinsamen Stirngrube befanden, oberhalb des spindelförmigen Körpers. Nur für ca. vier Minuten bleibt ein Wal an der Wasseroberfläche, dann taucht er für 45 min. wieder ab, denn so lange hält der getankte Sauerstoff. Leider wurde es aus dieser Position mit dem abtauchenden Rückenflossenfoto nichts, so buchte ich noch einmal für den nächsten Tag, in aller Herrgottfrühe, das Boot und ihr könnt es euch schon denken - zu windig. Aus Zeitgründen musste ich jetzt aber weiter ziehen.
Mein nächstes Reiseziel auf der Südinsel hieß: Abel Tasman National Park, benannt nach dem Niederländer Abel Janszon Tasman, der als erster Weißer 1642 die neuseeländische Küste entdeckte. Sein Landungsversuch scheiterte, da die Maoris zu starken Widerstand leisteten. Nachdem er zahlreiche Besatzungsmitglieder verloren hatte, musste er davon segeln. Dieser 1942 eröffnete National Park gilt als schönster des Landes. Enttäuscht musste ich feststellen, dass auch hier alles perfekt touristisch erschlossen ist. Es gab kaum eine Möglichkeit, auf eigene Faust etwas in der hier sehr empfindlichen Natur zu unternehmen. Alles auf Neuseeland (außer Eigenheime) ist eingezäunt, mit endlos langen Schafherdenkoppeln umgeben, man braucht eine Erlaubnis oder muss Eintritt bezahlen wie im Abel Tasman National Park. Auf gut ausgeschilderten Trekkingpfaden kommt man hier durch den so gut wie lückenlosen neuseeländischen Busch, zwischen Manukas, Pinien und riesigen Farnen hindurch oder wandert an feinsandigen Traumstränden, die von türkisfarbenen Meerwasserwellen überrollt werden, entlang. Einige Buchten sind nur bei Ebbe passierbar. Im Abstand von knappen Tagesmärschen, stehen Wetterschutzhütten mit Doppelstockbetten aus Holz für die Übernachtungen zur Verfügung. Weltenbummler und Fernreisende der halben Erde treffen sich hier und tauschen ihre Erfahrungen aus. "Ranger" kontrollieren, ob man auch wirklich über ein Eintrittsticket, das zur Nutzung der einfachen Hütten berechtigt, verfügt. Von Schnee und Regen gespeiste Gletscher, die von mächtigen Eismassen gedrückt werden, kann man ebenfalls auf der Süd-Insel bestaunen. Die eisigen Zungen schieben sich von 2600 m bis auf 300 m in Richtung Tal hinab.
Der Milford Sound gilt weltweit als schönster Trekkingpfad überhaupt. Leider war die einzige Zufahrtstraße bei Te Anau von einem Erdrutsch verschüttet und unpassierbar. Leider musste ich nun auf ihn verzichten und konnte auch keine Bekanntschaft mit Neuseelands frechsten Vogel, dem Kea, machen. Der Bergpapagei kommt dort noch sehr häufig vor.
Die Gartenstadt und Metropole der Südinsulaner, Christchurch, war meine letzte Station auf Neuseeland. Hier lebt fast die Hälfte von der Bevölkerung der Südinsel. Vor der Christchurcher Kathedrale mit dem 65 m hohen Kirchturm predigt fast jeden Mittag der "Wizard" von einer Stehleiter seine Botschaften. Dabei wird der exzentrische Redekünstler, der von der Stadt bezahlt wird, von zahllosen Touristen und Schaulustigen umringt. Mit hoch erhobenen Armen und ernster Miene, mal in einem schwarzen, mal in einem weißen Gewand und einer lustigen Kopfbedeckung, philosophiert er das Blaue vom Himmel herunter. Seine Zuhörer sind pausenlos am Lachen und niemand weiß, ob er sie nur aus Spaß "verzaubert" oder ob er einen kleinen "Dachschaden" hat?

Der Kassierer der Kathedrale, Barry Prable ließ sich meine Adresse geben und tauchte tatsächlich fast ein Jahr später bei mir zu Hause auf, das war eine gelungene Überraschung. Er erzählte mir, dass er sich von den Reisenden aller Nationen die Anschriften geben lässt, die in Christchurch die 133 Stufen zur Spitze des Kirchturms hinauf steigen. So hat er schon die halbe Welt bereist, ohne für eine Übernachtung zu bezahlen. Wie ein Hotel von innen aussieht weiß er gar nicht. Bereist werden nur Länder wo er genügend Adressen hat, um unterzukommen. Deutschland stand sehr hoch im Kurs bei ihm.

 

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