Nach sechs Stunden anstrengendem Fußmarsch erreichen wir eine alte
Lagerstelle von Jamen, als er hier noch zur Jagd ging. Schnell, vor Einbruch der Dunkelheit, werden mit der Machete kleine gerade gewachsene Bäume geschlagen und zu Zeltstangen verarbeitet. Eine mitgebrachte Plane dient nun als Überdachung. Fertig ist mein Schlafplatz. Die Damen sind noch beim Zeltaufbau, das sie extra mitgeschleppt hatten. Liyan hat die Feuerstelle schon in Gang gebracht und der mitgenommene Yellow Lap - Tee (es gibt hier nur eine Sorte) kochte schon.
Nun ist es bereits stockfinster. Mutang und ich bereiten uns im hellen Schein des Feuers auf die Jagd vor. Mir wird eine aus Rattan geflochtene, längliche Kiepe auf den Rücken gebunden, wo später das erlegte Wild hineinkommen soll. Mutang befestigt eine mit Akku gespeiste Lampe an seinem Kopf. Er sieht nun eher wie ein Grubenarbeiter aus als wie ein Jäger. Mutang geht mit seiner Flinte in den wild wuchernden Dschungel voran und ich mit meiner Taschenlampe hinterher. Schon nach wenigen Minuten sind wir bis auf die Haut durchnässt. Bei jedem Schritt unseres Querfeldeinmarsches streifen die nassen Blätter ihre Feuchtigkeit an uns ab. Einsetzender Regen gibt uns den Rest. Eine halbe Stunde ist vergangen und noch immer kein Jagdglück. Doch jetzt tauchen im Scheinwerferkegel Mutangs zwei Lichter auf. Mutang flüstert mir zu: " PILANUK, PILANUK". Was soviel heißt wie ein Tier. Es war ein TIDAK MELETUT. Mutang reicht mir sein Gewehr und möchte mir den ersten Schuss überlassen. Mir fällt natürlich sofort das laienhaft geflickte Abzugshahnblech ein. Genau darunter wird die Patrone explodieren und ich habe Bedenken, ob die Problemstelle halten wird. Also überlasse ich meinem Begleiter das Jagdglück. Wenige Sekunden später durchschneidet ein gewaltiger Knall die Nacht. Im dichten, dunklen Blattwerk konnte ich nicht erkennen, ob er traf oder nicht. Zügig laufen wir zu der Stelle, wo eben noch das Stück Wild stand. Negativ, er hatte verfehlt. Jetzt, dachte ich, hat sich die Jagd erledigt. Der Schuss war ja meilenweit zu hören. Mutang aber signalisierte - wir gehen weiter.

Fast eine Stunde verging nun ohne Wild. Klitschnass und mit unzähligen Blutegeln an den Füßen hatte ich jetzt eigentlich die Schnauze voll, als Mutang mir mit Handzeichen zu verstehen gab, ich solle zurückbleiben. Nach einigen Minuten war sein Licht verschwunden und ich stand völlig ohne Orientierung im Busch der wilden Tropen. In der absoluten Dunkelheit des Waldes und von der Wildnis völlig umzingelt, hatte ich keinen Schimmer, wo ich mich befand. Es gab ja nicht mal einen ausgetrampelten Pfad, an den man sich notfalls halten könnte. Meine Batterien der Taschenlampe machten nach über einer Stunde Dauerbetrieb auch langsam schlapp. Ausschalten wollte ich sie nicht, dann hätte Mutang nicht mehr gewusst, wo ich bin. Langsam ging mir die Muffe. Kein Lichtschimmer war von ihm zu sehen und meine Lampe ging fast aus. Doch dann bemerkte ich etwas, hielt meine Taschenlampe über den Kopf in seine Richtung und spürte, dass er sich nun auf mich zu bewegte.
Als wir wieder zusammen waren, flüsterte er mir zu, dass er zum Lager zurückgehen wolle. Ich hatte keinen trockenen Fleck mehr am Leibe, außerdem gehen die Temperaturen in den Bergregenwäldern nachts stark zurück, deshalb war ich sofort mit seinem Vorschlag einverstanden. Schon auf dem Rückweg hatten wir dann doch noch Glück. Zwei Lichter tauchten wieder im Lampenlicht auf. Ein TIDAK MATI gab Mutang zu verstehen. Wieder knallte ein Schuss und wieder eilten wir zum Anschuss. Diesmal sah es schon besser aus. Er hatte getroffen, überall Schweißanhaftungen am Boden und an den Blättern. Das hieß nun Nachsuche. Diese dauerte nicht lange und es fiel ein erneuter Schuss. Das Wild war nun zur Strecke gebracht. Das für deutsche Verhältnisse unweidmännische Jagen im Scheinwerferlicht und mit 8 mm Schrot durfte ich nicht so eng sehen, denn hier im Outback gehört es zur Überlebungsstrategie dazu.
Stolz kehrten wir zum Lager zurück. Die Frauen schliefen schon bei unserer Ankunft und Jaman amüsierte sich über die drei Schuss, die wir für ein Stück Wild verbrauchten, dann musterte er meine Sundayshoes. Sie hatten bis jetzt gehalten. NAAM ANUN. Liyan zeigte auf die vielen Blutegel, die sich durch meine Socken gebohrt hatten. 54 Quälgeister zählten wir beim Absammeln, die Zerquetschten in den Schuhen nicht mitgerechnet. An einigen Stellen hatten sich gleich 4-5 Egel angesaugt. Aus diesen Wunden floss das Blut unaufhörlich heraus. Die Schlunddrüsen der Egel hatten soviel Hirudin abgeschieden, dass das Blut nicht mehr gerinnen konnte. Abtupfen und Pflaster halfen da nicht mehr, Druckverbände mussten angelegt werden. Inzwischen hatte Mutang das Wildbret mit Asche eingerieben, damit sich das Fell leichter auszupfen ließ. Die Kelabit ziehen es nicht ab, wie bei uns üblich. In sagenhafter Geschwindigkeit war das Fleisch mit der Machete zerkleinert und auf ein NUNU (Fleischspieß) gespickt. Nun konnte es über dem APUY (Feuer) zubereitet werden.
Am nächsten Morgen ging es steil bergauf. Der zweithöchste Berg der Region war unser Ziel. Unterwegs zeigte Jaman uns, welche Pflanzen man essen kann. Am besten schmeckte mir das Mark einer Palme, an das man nur mit einem Messer kam, denn ihre Rinde war mit feinen, spitzen Stacheln überzogen. Der Geschmack erinnerte an unsere Walnüsse zu Hause. Zu trinken gab es "Bambus - Juice". Dafür wurde einfach mit der Machete in einen Bambusstiel geschlagen. Die Flüssigkeit im Inneren der Bambusgewächse war reichhaltig und man konnte sie bedenkenlos beim Herauslaufen gleich mit dem Mund auffangen und trinken.

 

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